Am 21. Juli 2020, beginnt vor dem Oberlandesgericht Naumburg im Landgericht Magdeburg der Prozess gegen einen Rassisten* und Anhänger der „White Supremacy“-Ideologie. Diesem Mann werden Doppelmord, mehrfacher versuchter Mord, Volksverhetzung und andere Delikte vorgeworfen.

Am 9. Oktober 2019 versuchte der Angeklagte mit der Absicht, am heiligsten Tag des jüdischen Kalenders, dem Jom Kippur, alle Mitglieder der dortigen jüdischen Gemeinde sowie deren BesucherInnen – insgesamt 52 Personen – zu töten, die Synagoge in Halle zu betreten. Er war mit selbstgebauten Waffen und Sprengkörpern bewaffnet. Bei dem Versuch, in die Synagoge einzudringen, tötete er Jana L. auf der Straße, weil sie sich ihm näherte. Der Angeklagte fuhr daraufhin zu einem nahe gelegenen Döner-Restaurant und versuchte, die Angestellten und Gäste drinnen sowie die Flüchtenden zu ermorden. Dort tötete er einen jungen Mann, Kevin S. Im Verlauf des Angriffs bedrohte er mit Schüssen und seinem Fahrverhalten das Leben vieler weiterer Personen und verletzte mehrere bei seiner Flucht schwer.

Wir möchten den Hinterbliebenen von Jana L. und Kevin S. und allen, die von rechter Gewalt in Deutschland betroffen sind – sei es in Halle, Kassel, Hanau oder durch den NSU – unser tiefes Mitgefühl aussprechen.

Der Täter wählte seine Ziele auf der Grundlage einer weißen, rassistischen Ideologie, die Antisemitismus, Islamfeindlichkeit, Rassismus, Homophobie, Sexismus und Fremdenfeindlichkeit mit Verschwörungstheorien verschmilzt, aus. Seine Radikalisierung fand in Online-Communitys statt, die diese Überzeugungen stärkten und förderten. Dort wurde er durch andere Gewalttaten angestachelt, vor allem durch das Massaker von Christchurch im März 2019. Inspiriert von diesem Anschlag sowie von ähnlichen Hassverbrechen in El Paso, Poway und Oslo übertrug der Angeklagte seinen Angriff live im Internet. Er wollte ein öffentliches Spektakel veranstalten und anderen mit ähnlichen Ideologien beweisen, dass Taten wie die seine durchführbar sind, sie eigenen Waffen mit geringem Aufwand herstellen und damit ähnliche Gewalttaten begehen können.

Wir haben uns der Anklage des Generalbundesanwalts als NebenklägerInnen angeschlossen, um sicherzustellen, dass die rassistische Ideologie des Angeklagten und seine Integration in militante rechte Strukturen nicht nur im Gerichtssaal, sondern auch von den Strafverfolgungsbehörden und der Öffentlichkeit wahrgenommen wird. Die diesen Ideologien innewohnende Menschenverachtung ist jetzt und über diesen Prozess hinaus Anlass zum Nachdenken. Täter wie der Angeklagte brauchen keine physischen Gemeinschaften mehr, um von Gleichgesinnten Ermutigung und Unterstützung zu erhalten. Es ist wichtig, dass dieser Prozess Politikern, Strafverfolgungsbehörden und der breiten Öffentlichkeit als Erinnerung an unser ständiges Bedürfnis dient, Rassismus, Sexismus, Islamophobie und Antisemitismus, die unsere Gesellschaft durchdringen, aktiv entgegenzutreten und alle rechten Ideologien zu bekämpfen. Wir fordern, dass dieser Prozess dazu dient, den Mythos des „isolierten Einzeltäters” aufzudecken und eine verantwortungsvolle Politik zur Bekämpfung der zunehmenden Online-Radikalisierung zu entwickeln.

Wir stehen in Solidarität mit allen, die von rechter Gewalt betroffen sind. Allein in den letzten Jahren haben die Taten, die wir in Kassel, Halle und Hanau erlebt haben, gezeigt, dass rechte Ideologien tödlich sind und uns alle betreffen. Als Gesellschaft tragen wir die Verantwortung, alle Menschen zu schützen, unabhängig von ihrer Herkunft, Religion, ihrem Geschlecht oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit. Dazu müssen wir den Ideologien, die zu der Barbarei führen, die wir in Halle erlebt haben, und all denen, die solche Gewalt in Deutschland und im Ausland verherrlichen, furchtlos entgegentreten.

*Wir bitten die Medien, sich uns bei der Weigerung anzuschließen, den Namen des Angeklagten zu nennen. Dies verstärkt lediglich seinen Bekanntheitsgrad, stellt ihn fälschlicherweise als Einzeltäter heraus und trägt dazu bei, ein Narrativ dem wir uns nicht anschließen, zu verbreiten. 

13 Personen aus der Synagoge in Halle unter Ihnen BesucherInnen und
Mitglieder der Jüdischen Gemeinde Halle,
zwei Personen die der Angeklagte auf der Flucht versuchte zu töten,
zwei Gäste des Kiez-Döner und dessen Betreiber, die Brüder Ismet und
Rifat Tekin,
der Vater des Ermordeten Kevin S.